
FPR - ICF, Leistungsfähigkeit und Partizipation
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ICF, Leistungsfähigkeit und Partizipation
Ein zentrales Problem der Rehabilitation sind Fähigkeitsbeeinträchtigungen, die sich aus Krankheiten ergeben und die bei chronischen Krankheiten zu Teilhabeeinschränkungen im sozialen wie beruflichen Leben führen. In der FPR stellt ein Forschungsschwerpunkt die Diagnostik, Prävention und Therapie von Fähigkeitsbeeinträchtigungen und Teilhabeeinschränkungen dar.
Chronische Erkrankungen führen regelmäßig zu Beeinträchtigungen, die sich in Behinderungen bei der Erfüllung sozialer Rollen niederschlagen. Aus Krankheitssymptomen bzw. Funktionsstörungen werden Einschränkungen in Fähigkeiten und Aktivitäten und daraus folgend dann Teilhabe- bzw. Partizipationsstörungen. Die Beurteilung des Grades der Fähigkeits- und Partizipationsstörungen stellt eine zentrale Aufgabe in der Rehabilitations- und Sozialmedizin dar. Mit der Einführung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF, WHO 2001) wurde ein wichtiger konzeptioneller Fortschritt erzielt. Es fehlen aber klinisch praktikable Möglichkeiten zur Beschreibung und Quantifizierung von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Erkrankungen.
Es wurde unter Bezug auf das Groningen Social Disability Schedule-II (GSDS-II) und in Anlehnung an die ICF ein Fremdrating-Instrument für Beeinträchtigungen von Aktivitäten und Partizipation bei psychischen Erkrankungen (Mini-ICF-APP) entwickelt, das erlaubt, in der klinischen Praxis wesentliche Elemente von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Störungen in kurzer Form zu erfassen. Es wurde im Kontext sozialmedizinischer Fragestellungen entwickelt zur Beschreibung von Fähigkeiten in Abgrenzung zu Funktionen, mit einem kontextadjustierten Qualifying. Es handelt sich um ein Fremdbeurteilungsinstrument, das dreizehn Fähigkeiten umfasst, die entweder unmittelbar aus ICF-Definitionen übernommen oder aus komplexen ICF-Kategorien extrahiert wurden und die nach der psychologischen Forschung von besonderer Relevanz bei psychischen Störungen sind [31]. Dies sind die Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, Kompetenz- und Wissensanwendung, Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, Proaktivität und Spontanaktivitäten, Widerstands- und Durchhaltefähigkeit, Selbstbehauptungsfähigkeit, Konversation und Kontaktfähigkeit zu Dritten, Gruppenfähigkeit, Fähigkeit zu engen dyadischen Beziehungen, Fähigkeit zur Selbstpflege und Selbstversorgung, Mobilität und Verkehrsfähigkeit. Zur Operationalisierung werden Anker-Definitionen und Interview-Beispielfragen vorgegeben. Auf einer fünfstufigen Skala von „0 = keine Beeinträchtigung“ bis „4 = vollständige Beeinträchtigung“ wird die Fähigkeit des Patienten eingeschätzt, den Normerwartungen in der Rollenperformanz bzgl. seiner Referenzgruppe zu entsprechen. Das Mini-ICF-APP hat bereits Einzug in nationale wie internationale Begutachtungsleitlinien gefunden. Es liegen inzwischen englische und italienische Übersetzungen vor, die auch in England und Italien evaluiert wurden. Es sind Untersuchungen mit schizophrenen wie auch geistig Behinderten durchgeführt worden.
Parallel zum Mini-ICF-APP wurde das Mini-ICF-APP-W entwickelt. Es ermöglicht, die Fähigkeitsanforderungen eines Arbeitsplatzes einzuschätzen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Suche nach einem „leidensgerechten“ Arbeitsplatz bei Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsplatz oder auch beim betrieblichen Eingliederungsmanagement oder dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement.
Es wird aktuell auch an der Entwicklung eines Selbstratinginstruments gearbeitet, um zu ermöglichen, das Expertenrating evtl. Fähigkeitseinschränkungen zu ergänzen durch eine Selbsteinschätzung des Probanden.